Tag 85, 5. August 2024, Torquay (UK) – Waymouth (UK), 53 nm
Der Wecker klingelt 6:00 Uhr. Draußen ist es noch diesig. Bis ich fertig bin zum Ablegen ist es 7:30 Uhr. Ich habe diesmal für alle Fälle den Code Zero angeschlagen, aber wahrscheinlich werde ich den nicht brauchen, bei dem angesagten Wind.
Raus aus dem Hafen setze ich Groß und Fock und ich stelle einen geraden Kurs ein bis zur südlichen Spitze der Insel Portland. Hinter der, um die Ecke liegt dann Waymouth. Vor mir bis Portland liegen 40 Meilen. Der Wind kommt mit fast 90° von der Seite und ich werde die ganze Zeit den Tidenstrom von achtern haben.
Es segelt sich wunderbar und schnell. 10:30 Uhr habe ich schon 21 Meilen versegelt. Das ist ein Durchschnitt von 7 Meilen/h. Nicht schlecht! 11:50 Uhr sind 30 Meilen auf der Tageslogge.
12:45 Uhr sehe ich voraus The Bill of Portland. Das ist die südlichste Spitze der Insel Portland mit ihrem Leuchtturm, der sich offenbar Bill nennt. Bis hin wird es aber noch eine knappe Stunde dauern.
Immer noch läuft der Strom von achtern an und ich habe Halbwind. Und jetzt ist die Stunde rum. Ich sehe die Tide Ribs. Der Strom hat sich gedreht, kommt jetzt von vorn. Ich habe sie zu spät bemerkt, die Tide Ribs. In der Seekarte zoome ich auf und sehe, da ist sogar von gefährlichen Overfalls die Rede. Was tun, inzwischen bin ich drin. Es bleibt nur umdrehen und umfahren oder durchfahren. Ich entscheide mich für das Durchfahren.
Im Nachhinein war es eine falsche Entscheidung. Großsegel und Fock, obwohl 14 ktn Wind bringen mich nicht mehr voran. Ich schiebe mit Maschine mit 1800 U/min mit. Eine hässliche Welle hat sich aufgebaut, die kommt von Südwest, ich denke wechselnd zwischen 2 und 3 Meter. Der Strom kommt von Ost. Mein Schiff verliert immer mehr an Fahrt. Über Grund manchmal nur 1,5 ktn. Ich versuche das Schiff mit der Nase in Richtung Südost zu halten. Ist auch die einzige Möglichkeit. Gegen die 4 ktn Strom komme ich bei der Welle nicht an. Immer wieder stampfe ich mich fest. Ich versuche ostwärts zu kommen, dort sehe ich sind die Wellen weniger. Ich fahre einen Zickzackkurs. Eine Stunde, von 13:30 Uhr bis etwa 14:30 Uhr brauche ich, um östlich der Spitze der Insel Portland zu kommen. Dann komme ich ein wenig mehr auf Nordkurs. Hier geht es dann eine weitere reichliche Stunde mit 2,5… 3,5 ktn ü.G. voran. Gegen 15:00 Uhr habe ich es geschafft. Ich bin durch, das war anstrengend.
16:00 Uhr bin ich vor dem Hafen Portland. Ich berge die Segel.
Portland ist wohl der größte von Menschenhand geschaffene Hafen Europas, der mitten in das Meer gebaut ist. Die Brakewaters haben 3 Eingänge. Ich melde mich bei der Hafenautorität an. Und bekomme Freigabe. Drinnen ist eine Marina. Aber halt, ich wollte ja nach Waymouth in die Stadtmarina. Ich drehe ab und fahre die letzten 3 Meilen Richtung Waymouth.
Waymouth kann ich tidenunabhängig anlaufen. Der Hafenmeister gibt mir Anweisung mich ins Päckchen mit zwei anderen Seglern zu legen. 17:00 Uhr bin ich fest. Pos 50°36‘487N, 2°26‘994 W.
Jetzt brauche ich erst mal einen richtigen Drink! Das war eine Aktion durch die Tide Ribs.
Ich esse eine Kleinigkeit und mache noch eine Runde durch Waymouth. Auch ein schöner Ort, geprägt durch sein Hafendasein. Viele Pubs! Ich statte zweien noch einen Besuch ab.
Übrigens Waymouth ist die Mündung des Flusses Way…. Also wie Swinemünde die Mündung der Swine ist! Mouth ist der Mund…
Tag 86, 6. August 2024, Waymouth (UK) – Yarmouth, Isle of Wight (UK), 35 nm
Gestern Abend haben mir die älteren Leute vom Nachbarschiff, mit denen ich im Päckchen liege, gesagt, dass sie heute schon 7:00 Uhr ablegen. Die wollen nach Osten und der Vormittagsgezeitenstrom schiebt ostwärts. Ich habe mich deshalb auch so entschieden und der Wecker klingelt schon 6:00 Uhr. Als ich aufstehe, fängt es draußen an abartig zu regnen.
Ich frühstücke und beobachte die Lage. 7:00 Uhr pünktlich ist der schlimmste Regen vorbei. Ich baue schnell das Bimini auf und lege zeitgleich mit den alten Herrschaften ab.
7:25 Uhr schon habe ich Groß und Fock am Wind. Der bläst mit 10…12 ktn und ich fahre gleich fast 5 ktn ü.G.
Hinter mir wird Waymouth kleiner und kleiner und ich habe an Backbord einen schönen Blick auf die Kreideküste hier. Inzwischen klart der Himmel auf, es wird wohl weiter keinen Regen geben. Das Bimini baue ich wieder ab. Ich habe es nicht so gerne, wenn ich keinen freien Blick auf die Segel habe und nicht über die Sprayhood schauen kann.
So richtig habe ich noch keine Idee, wo ich heute Abend anlege. Erst jetzt mache ich mir Gedanken. Eigentlich schwebte mir Poole bei Bornemouth vor, aber ich entscheide mich für die westliche Marina auf der Isle of Wight, Yarmouth. Von hier habe ich es morgen nicht weit bis Southhampton.
8:30 Uhr hat der Wind 9 ktn, kommt mit 100° von NW. Die All Right 2 schiebt sich mit 6,5 ktn vorwärts, später sind es gar 7 ktn ü.G. Der Tidenstrom schiebt von achtern immer stärker.
Gegen 9:30 Uhr sehe ich in einiger Entfernung eine Weise schäumende Linie in dem sonst fast Wellenlosen Meer. Das sind Tide Ribs. Diesmal bin ich klug. Ich gehe weiter unter die Küste. Hier ist die See erträglich. Vor mir an Steuerbord sehe ich einen Segler, der voll hineingeraten ist und durchgeschaukelt wird. Wobei im Gegensatz zu Gestern alles besser ist, der Strom schiebt von hinten.
9:40 Uhr lasse ich St. Albans Head, eine Nase, die aus den üblichen Felsen herausragt, an Backbord. Inzwischen habe ich den Motor gestartet und unterstütze die Segel. Der Wind ist bei 6 ktn.
10:30 Uhr passiere ich den Leuchtturm Durlston Head. Er steht auf einer geschichteten Felswand und unten sind viele Höhlen ausgespült. An Backbord habe ich jetzt Sicht bis nach Bournemouth, Poole. Und die Küste ist hier wieder eine Kreideküste. Es sieht aus wie der Königstuhl auf der Insel Rügen.
Ich rechne nochmals. Ich lasse die Maschine wieder an, um schnell an der Insel Isle of Wight anzukommen. Da komme ich noch rechtzeitig mit dem Strom in den Solent, den Meereskanal zwischen der Insel und dem Englischen Festland.
11:00 Uhr schon sehe ich die Isle of Wight. Zeitiges Aufstehen lohnt sich, ich habe den Tidenstrom für mich genutzt.
12:20 Uhr bin ich an den Kreidefelsen mit dem Leuchtturm an der Spitze, die die südwestliche Spitze der Isle of Wight bilden. Wunderschön und imposant. Noch habe ich Strom von hinten, ich fahre an die Felsen heran, wie auch andere Segler. Ich mache unzählige Fotos und Movies. Meinem Sohn schicke ich die Bilder. Er erinnert sich, war er doch vor 20 Jahren hier auf Sprachreise.
Ich fahre weiter Richtung Yarmouth. Die Segel habe ich geborgen. Der Strom von achtern nimmt immer mehr ab. Kurz vor dem Hafen Yarmouth kippt der Strom. Das merke ich direkt vor der Hafeneinfahrt. Ich will die Fender ausbringen und habe das Schiff mit Autopiloten und geringer Drehzahl sich selbst überlassen. Und der Strom auf der Nase drückt das Schiff zur Seite. 2…3 ktn Strom sind nicht zu unterschätzen.
Ich funke den Hafen auf CH 80 an, melde mich an und bitte um einen Liegeplatz. Das Funken ist hier in Großbritannien ein unverzichtbares Muss beim Segeln.
Ich bekomme meinen Liegeplatz zugewiesen und der Berthing Master erwartet mich im Motorboot und gibt weitere Anweisungen. Das Motorboot fährt vorweg und der Berthing Master erwartet mich auf dem Ponton und belegt selbständig die Achterleinen. Ich lege rückwärts an im Päckchen neben einer anderen Yacht an. Während der Berthing Master professionel die Leinen auf den Klampen auf dem Ponton belegt, hat der Schiffseigner auf dem Nachbarschiff offenbar keine Ahnung was eine Spring ist und wie man die auf einer Klampe belegt. Als ich ihn kurz belehre, bemerkt der, er sei Segellehrer. Na da!
Ich bezahle die Hafengebühr für eine Nacht, 53 Pounds. Viel Geld, aber dafür bekommt man Qualität, professionelle Hilfe und Freundlichkeit! Im Hafenmeisterbüro liegen Postkarten im A5 Format mit Couverts aus. Die Bilder zeigen die tolle Südwestspitze der Insel, an der ich vorbeigefahren bin. Ich schreibe auf dem Schiff schnell einen Brief mit diesen Bildern für meine Enkelin, die dieses Wochenende in die Schule kommt.
Heißt, ich mache eine Fahrradtour auf der Insel, um ein Postamt zu finden. Als ich da bin, völlig durchgeschwitzt, schließen die vor meinen Augen den Schalter. Ich kann aber Mitleid erregen, als ich über meine Enkelin spreche. Ich kann den Brief noch aufgeben.
Auf meinem Rückweg über die Felder, durch den Wald geniese ich die Natur und sehe was Ebbe und Flut anrichten. Ich komme wieder in Yarmouth an und mache meinen obligatorischen Pub-Besuch. Hier gibt es gar Live Musik. Ich bleibe deswegen gleich auf zwei Bier.
Lange sitze ich noch in der Plicht meiner Yacht, trinke Rotwein und rauche meine vorletzte Zigarre.
Tag 87, 7. August 2024, Yarmouth, Isle of Wight (UK) – Southhampton (UK), 17nm
Ich habe heute keine lange Strecke vor mir. Dennoch, ich muss zeitig raus. Ich muss den Strom nach Osten im Solent erwischen. Der setzt nach Osten eine Stunde nach Niedrigwasser ein. Also stehe ich 6:30 Uhr auf, frühstücke, lege ab und tanke noch an der Schiffstankstelle 77 Liter Diesel.
8:00 Uhr bin ich auf den Solent, ziehe das Großsegel hoch und fahre platt vor dem Wind gen Ost. Der Strom schiebt mit 3 ktn. Ich fahre immer über 7 ktn ü.G., im Maximum 8 ktn.
Nach schon einer reichlichen Stunde muss ich aus dem Solent nach Norden abbiegen, Richtung Southampton. Ich halte mich am Rande des Fairways, Fahrwassers. Hier ist wahnsinniger Betrieb der Großschifffahrt und es verkehren Schnellfähren. Ich höre ständig den Verkehrskanal ab, CH12, um auf dem Laufenden zu sein und eventuelle Anweisungen entgegen zu nehmen. Nach der Abbiegung nach Norden wechsle ich von der linken Seite des Fahrwassers auf die rechte.
4 Meilen vor meiner gewünschten Marina starte ich den Motor. Es gibt keinen Strom mehr von achtern. Das Großsegel berge ich. Und hier an der Einfahrt nach Southhampton ist noch mal richtig Knatter, 19 ktn Wind. Woher kommt der plötzlich?
10:30 Uhr funke ich über CH 80 erfolgreich die Ocean Village Marina an. Die teuerste hier, aber die, die dem Zentrum am nächsten ist. Ich bekomme per Funk meinen Platz G6 zugewiesen und Anleitung wie ich dahin komme. Und die sprechen mich gleich mit meinem Namen an, nachdem ich denen meinen Schiffsnamen genannt habe. Ich war schon in eine Marina der MTL Gruppe und die hatten mich im System.
Ich mache mich gerade fertig und will zum Hafenbüro gehen, da erscheint ein Mitarbeiter mit Kartenlesegerät an meinem Anleger, begrüßt mich freundlich und zieht meine Kreditkarte durch das Lesegerät. Ich bekomme eine Zugangskarte für das Hafentor in einem kleinen Etui, wie in einem Hotel.
Dann folgen der Anleger, auch wenn ich nur 17 Meilen unterwegs war und ich mache mir das Mittagessen warm, der Rest Sauerbraten von Gestern.
Wegen dem Essen, dem Bier und der Sonne bin ich müde. Also gibt es erst mal zwei Stunden Mittagsschlaf.
Später fahre ich mit dem Fahrrad auf Erkundungstour. Ich verschaffe mir einen Überblick. In verschiedenen Hotels hole ich mir Karten und Informationen zur Stadt. Ich weiß jetzt welche der Museen ich morgen besuchen werde und ich werde meine Runde entlang der alten Stadtmauer machen. Und wie soll es anders sein, ich ende in einem Pub, dem Duke of Wellington Pub. Ich probiere ein Ale und ein IPA. Ich unterhalte mich mit dem Bartender. Ich wundere mich, warum so wenig Betrieb ist. Der Man an der Bar klärt mich auf: es ist wegen der Unruhen in Großbritannien. Hier ist man mit der Migrationspolitik nicht zufrieden.
Tag 88, 8. August 2024, Southhampton (UK), Hafentag, keine Meilen
Wenn du schon mal ausschlafen kannst, bist du zeitig wach. Mir geht es zumindest heute so, 6:00 Uhr bin ich schon wach, aber ich bemühe mich noch liegen zu bleiben, sicher bin ich auch noch mal eingeschlafen.
Ich beginne den Hafentag mit einem gemütlichen Frühstück und mache mich 9:30 Uhr fertig für meinen Fahrradausflug. Das Wetter ist nicht so schön. Keine Sonne und ich bin von der Südküste Englands eigentlich sonnenverwöhnt.
Also radle ich los, durch die Stadt, einige Parks. Mein Ziel das Sea City Museum. Mich interessiert die Ausstellung über den Passagierdampfer Titanic. Und am Ende, nach einigem Umherirren, finde ich das Museum. Ich nehme mir Zeit, zwei Stunden, für die Ausstellung über die Schiffskatastrophe und über Southhampton als Hafenstadt und die Bombardements im zweiten Weltkrieg. Die Themen sind alle außerordentlich interessant, der Titanic widme ich noch eine extra Geschichte.
Gegen 12:00 Uhr verlasse ich das Museum und bin traurig über das Wetter. Es nieselt häßlich und das zieht sich den ganzen Tag hin.
Ich fahre durch das Zentrum, mal auf der Straße links oder auf dem Fußweg. Mein Weg führt mich am Arundel Tower vorbei, an den Resten des Southhampton Castle, der St. Juliens Church. An einigen Stellen komme ich an den resten der alten Stadtmauer vorbei und ein altes Stadttor sehe ich.
Ich habe Hunger und halte an der „Dancing Man Brewery“ an. Ein Bier und irgendein undefiniertes Essen mit Pork…
Raus aus dem Pub ist das Wetter noch schlechter. Ich radle zum Solent Sky Museum. Hier sind allerlei Flugzeuge ausgestellt. Southampton war ein wichtiger Punkt der Flugzeugindustrie. Hier wurde die legendäre Spitfire produziert und später auch andere Flugzeuge für die Royal Air Force RAF. Die Spitfire Produktion waren neben der Hafenanlagen Grund für heftige Luftangriffe der Deutschen Luftwaffe. Alleine 3 massive Angriffe wurden gegen die Produktionsstätte der Spitfire geflogen, bis sie zerstört war. Das hat trotz allem nichts genutzt. Die Produktion wurde verlagert und kurz danach wiederaufgenommen. In den Museen lerne ich das ca. 33.000 Bomben im 2. Weltkrieg auf Southhampton abgeworfen wurden.
Auf dem Rückweg sehe ich noch Fährterminals und das Terminal für die Kreuzfahrtschiffe. Aber das Wetter ist schlecht und ich fahre zu meinem Hafen zurück.
Ein Nachmittagsschläfchen folgt und am Abend habe ich mir eine Massage im naheliegenden Spa Hotel bestellt.
Tag 89, 9. August 2024, Southhampton (UK) – Brighton (UK), 58 nm
Eigentlich kotzt mich das zeitige Aufstehen an, aber ich muss den Tidenstrom nutzen und der fragt nicht ob ich ausschlafen möchte. Außerdem war ich schon gegen 5:30 Uhr auch ohne Wecker wach. Ich bin schließlich gestern zeitig in die Koje und ich habe gut geschlafen. Die Massage hat offenbar geholfen. Ich habe ohne Schmerzen durchgeschlafen.
Also frühstücke ich, mache das Schiff ablegefertig und lege wie geplant 6:30 Uhr ab. Ich fahre raus aus dem Hafen und setze gleich die Segel. Meine Berechnungen und Planungen stimmen. Ich habe den Strom von achtern und fahre gleich mit 6…7 ktn ü.G. die Mündung des Flusses Itchen Richtung Solent. Bis auf zwei Fähren zur Isle of Wight ist noch kein Verkehr in dieser Verkehrszone.
7:40 Uhr biege ich in den Solent ein. Auch hier stimmt der Strom, immer von hinten und der Wind auch. Es geht zügig voran. Ich fahre den sogenannten North Channel entlang, nach Nordost.
8:40 Uhr habe ich Portsmouth an Backbord. Portsmouth, wo einst das Schiff „Mayflower“ mit Mönchen und Anderen im 15 Jahrhundert nach Amerika gestartet ist, um Amerika zu kolonialisieren. Und ich sehe das Gebäude, das von weitem wie ein Segel aussieht.
Inzwischen ist Verkehr auf dem Solent. Große Frachter von vorne und von hinten. Ich halte mich am Rande des Fairways. 8:50 Uhr habe ich das Sand Fort an Backbord und ein anderes an Steuerbord. Mitten im Meer gebaute Festungsinseln, unglaublich.
9:30 habe ich schon 21 Meilen versegelt. Die Fock habe ich inzwischen eingerollt. Ich segle nur mit dem Groß, habe den Wind gerade von hinten. Ich fahre eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,2 Meilen pro Stunde über Grund!
11:00 Uhr habe ich schon über 30 Meilen versegelt und fahre eine Halse in Richtung Küste. 12:30 Uhr habe ich 44 Meilen auf der Tageslogge. Nach 6 Stunden Fahrt bin ich 7,3 Meilen pro Stunde unterwegs!
14:20 Uhr berge ich das Segel. Brighton, die Marina habe ich nach fast 55 Meilen erreicht. Ich bereite bei hohen Wellen das Schiff fürs Anlegen vor. Und ich funke die Brighton Marina über CH 80 an. Ich bekomme klare Anweisung wo ich anlegen soll.
14:40 Uhr fahre ich mit voller Kraft in die Hafeneinfahrt. Die Welle schlägt quer in die Hafeneinfahrt, kein Wunder, draußen bläst der Wind noch mit 20 ktn.
Drinnen im Hafen bekomme ich noch mal Anweisung über Funk und 15:00 Uhr lege ich längsseits mit dem Wind an einem Ponton im äußersten Norden der Marina an.
Und jetzt, nach 58 Meilen in nur 8,5 Stunden gibt es den wohlverdienten Anleger.
Dann bezahle ich beim Hafenmeister. Überaus freundlich sind die Leute hier. Sollten die Jaichs mal in die Lehre gehen.
Und ich kümmere mich um den gebrochenen Mastrutscherschlitten. Ich habe noch Ersatz mit und wechsele den schnell. Für einen Stadtrundgang in Brighton habe ich keine Lust und keine Zeit mehr, schaue mir nur das Resort in der Nähe der Marina an. Und ich besuche noch einen Pub in Marina Nähe und gehe zeitig schlafen.
Morgen will ich zeitig raus. Wenigstens noch bei mittlerem Hochwasser und das ist 6:00 Uhr.
Tag 90, 10. August 2024, Brighton (UK) – Dover (UK), 68 nm
Wie ich gestern geplant habe, lege ich 6:00 Uhr pünktlich ab. Im Hafen ist kein Wind und es ist noch halbes Hochwasser, also ist das Ablegen leichtgemacht und die Ausfahrt aus dem Hafen ebenfalls problemlos.
Draußen ist auch nicht viel Wind. Dennoch ziehe ich das Großsegel hoch. Das bisschen Wind kommt achterlich, das Schiff rollt in der leichten Welle und das Segel schlägt. Also lasse ich das Großsegel wieder runter und fahre mit Maschine. Auch habe ich leichten Gegenstrom von 1,2 ktn. Der ist aber im Laufe des Vormittags rückläufig. Das wusste ich vorher aber irgendwann muss ich ja rausfahren. Gegen Mittag wird der Strom dann kippen und ich bekomme den dann von achtern.
7:21 Uhr kommt das große Ereignis, ich überfahre den 0-Meridian. Pos 50°45‘433N, 0°00‘000 O. Ich bin exakt unterhalb des Londoner Stadtteils Greenwich.
Und endlich, 8:00 Uhr kommt der Wind. Ich versuche es mit Groß und Fock. 8…10 ktn Wind, 4 ktn ü.G. Ich überlege und am Ende überwinde ich mich. Ich schlage das Leichtwindsegel an, den Code Zero. Und ich segle von 8:40 Uhr bis 9:10 Uhr mit Code Zero. Immerhin erst 5 ktn dann weiter 6 ktn ü.G. und es wird noch schneller. Ich schaue auf den Windmesser. Der Wind hat jetzt schon 16 ktn. Das macht mir Angst, also rolle ich den mühsam aufgebauten Code Zero wieder ein und fahre weiter mit Fock und Groß. Meine Entscheidung war auf jeden Fall richtig. Der Wind geht kurz dannach über 20 ktn.
Die Küste von Sussex ist schön. Alles Steilküste und Kreide.
9:30 Uhr habe ich den Leuchtturm Beachy Head an Backbord. Und dann bin ich auch gleich um die Ecke herum. Es geht jetzt mehr nördlich. 10:00 Uhr fahre ich an Eastbourne vorbei. Viele Segler sind unterwegs, alle in Richtung Dover, sie nutzen den Strom und den achterlichen Wind.
Inzwischen geht es richtig zügig voran. Der Strom schiebt, die Welle kommt auch von hinten und der Wind auch. Ich segle nur noch mit dem Großsegel. Die Fock ist im Schatten des Großsegels gewesen und die macht keinen Sinn mehr.
11:45 Uhr habe ich 30 Meilen versegelt. Das ist ungefähr die Mitte der Strecke, die ich heute schaffen will.
Ich habe das Großsegel die ganze Zeit auf Backbordbug gefahren. 14:45 Uhr muss ich das Segel auf die andere Site schiften. Da muss ich tüchtig aufpassen, dass der Baum nicht mit einmal rüber knallt, sondern langsam rüber geleitet. Mit meiner Baumbremse klappt das aber gut und ich ändere den Kurs mit Autopiloten, so habe ich beide Hände um die Großschot im Moment das Schiftens dicht zu holen.
Das Schiften ist hier notwendig, weil ich im noch eine Landnase herum muss. Das ist etwa 18 Meilen südwestlich von Dover. Da steht ein Kraftwerk auf der Ecke. Es ist die Dungenes Powerstation, ein Atomkraftwerk. Ich google am Abend, es hat 2 Kernreaktoren. Wie ich lese wird es von EDF betrieben, ist aber wegen technischer Probleme wohl außer Betrieb.
Na weiter zu meiner Segelei. Ich habe also um 16:15 Uhr 60 Meilen versegelt. Ich sehe Dover. Die Welle ist inzwischen ganz schön stark geworden. 3 Meilen vor Dover entschließe ich mich das Segel zu bergen, damit ich genug Zeit habe mich auf den Hafen vorzubereiten. Also fahre ich das Schiff gegen Welle und Wind und das Segel ist schnell unten.
Auf der Weiterfahrt bringe ich die Fender an beiden Seiten an und die Festmacherleinen und auf beiden Seiten eine Spring.
Eine Meile vor der Hafeneinfahrt rufe ich über Funk, CH 74 Dover Portcontrol. Die weisen mich an, dass ich bis zur Einfahrt warten muss weil ein kleines Kreuzfahrtschiff den Hafen erst verlassen muss und das dauert fast eine halbe Stunde. Ich schaukle also die Zeit bei 2 Meter Welle in Abstand von der Hafeneinfahrt. Das ist eine ganz schöne Herausforderung. Na, ich meistere sie, aber es ist unnötiger Stress und Anstrengung.
17:20 Uhr werde ich über Funk gerufen und bekomme Freigabe für die Einfahrt. Auf CH 80 rufe ich jetzt Dover Marina und lasse mir einen Platz in der Marina zuweisen.
17:30 Uhr endlich habe ich festgemacht, rückwärts im Finger am Ponton. 51°07‘116 N, 1°18‘957 O
Es sind wieder über 60 Meilen geworden am heutigen Tag. Jetzt brauche ich einen Anleger, Bier und einen Schnaps.
Ich bezahle den Hafen für 4 Nächte. Dann setze ich mich auf mein Schiff in die Plicht, trinke noch weiter Bier, esse eine Kleinigkeit und rauche meine letzte Zigarre. Meine Zigarren-Vorräte sind aufgebraucht. Hoffentlich bekomme ich in Holland Nachschub.
Irgendwann bin ich dann so müde, das ich in die Koje falle.
Tag 91, 11. August 2024, Dover (UK), Hafentag, keine Meilen
Ich schlafe aus, heute wird nicht gesegelt und das nicht bis zum 14. August. Außerdem war das gestern Abend wohl ein Anlegergetränk zu viel. Immerhin musste ich ja die Einschulung meiner Enkelin mit begießen und eigentlich bin ich ja nun um Großbritannien rum. Die nächste Destination ist ja dann Frankreich.
Also mache ich Reinschiff außen. Das Salz der letzten Woche und die Seevögelschisse müssen runtergewaschen werden. Der Wassertank wird auch aufgefüllt. Den Code Zero baue ich ab, den werde ich wieder hochziehen, wenn ich von hier abreise. Und dann ist Wäsche waschen angesagt. Ich glaube, das ist jetzt das letzte Mal auf meiner Reise.
Mit einem Holländer unterhalte ich mich, wie man im Schengen Raum wieder einklariert. Auch der hat widersprüchliches gehört. Wir finden einen Link und ich drucke das Formular beim Hafenmeister aus. Ich werde es mit Hand ausfüllen und dann beim Hafenmeister scannen und dann per E-Mail an meinen nächsten Hafen in Frankreich senden. Richtig klar ist das alles nicht, aber ich weiß es nicht besser.
Viel mehr gibt es heute nicht zu berichten, außer, dass ich noch in einem niedlichen Restaurant war und Muscheln gegessen habe.