Tag 38, 27. Juni 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft, Tag2
Es ist 8:00 Uhr. Ich bin schon zeitig wach und aufgeregt.
Ich stehe vor der Werkstatt und warte. 8:30 Uhr kommt der Werkstattbesitzer auf mich zu. Er lässt sich berichten und legt mich als Kunden an. 9:00 kommt ein Monteur an Bord und macht einen Test. Motor an und Vorwärts direkt am Getriebe geschalten und Rückwärts auch. Das Schiff bewegt sich nur Rückwärts. Also, das Schaltgetriebe hat was wegbekommen. Der Monteur pumpt das Öl aus dem Saildrive und baut den oberen Getriebedeckel ab. Viel ist nicht zu sehen, Metallspäne in den Ölrückständen. Der Monteur versucht die obere Schale vom Getriebe ganz abzunehmen, er gibt erst mal auf. Die gehen von einem Getriebeschaden aus. Zur weiteren Aufklärung muss das Schiff aus dem Wasser.
Ich rede mit der Versicherung. Die Werkstatt mit den Volvo Penta Händlern. Wo bekommt man ein Getriebe oder einen Saildrive komplett her?
Ich werde immer trauriger.
Der Versicherung sende ich Kostenvergleich zwischen Getriebewechsel und kompletten Saidrive Wechsel. Die Mitarbeiterin der Versicherung sagt mir, dass sie am Dienstag gleich früh mit ihrer Schadensabteilung spricht.
Ich fahre noch mit dem Fahrrad rum, muss mich ablenken. Habe mit Motorenhenri in Gustow telefoniert, der ist sogar bereit mit dem Auto und einen kompletten Saildrive hier hoch zu kommen und den Saildrive zu wechseln.
Mit Mario vom Hafen in Gustow habe ich gesprochen. Von ihm habe ich mir nochal erklären lassen wie ich den Mast zu liften habe.
Abends rede ich mit Anglern aus Tschechien, Prag, die sind hier auf Angeltour. Zum Trost wegen meinem Problem schenken die mir einen Sliwowitz ein.
Ansonsten versuche ich mich mit einem Buch aufzuheitern: Stefan Heym „Immer sind die Männer schuld“
Nachts um Eins höre ich im Schlaf einen Motor. Ein Segler legt bei strömenden Regen hinter mir an. Norweger die einen sicheren Hafen gesucht haben. Ich ziehe mir die Hose über und helfe denen beim Anlegen.
Tag 39, 28. Juni 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 3
Ich bin wieder zeitig wach. Kein Appetit zum Frühstücken. Ich trinke nur einen Magentee.
8:30 Uhr bitte ich den Werft Chef in einer Mail, eine Schadensbeschreibung an mich zu senden, die ich dann umgehend an die Versicherung weiterleite. Lange dauert es, dann schickt er mir die Schadensanalyse. Ich leite die sofort weiter an meine Versicherung.
Mich hat die Sache ganz schön mitgenommen. Noch dazu regnet es draußen und meine Stimmung geht gegen Null.
Es ist 12:00 Uhr, ich habe noch keine Nachricht von der Versicherung. Mein Brot ist auch alle. Habe noch Aufbackbrötchen. Wenn das Wetter besser ist muss ich mit dem Fahrrad oder einem geliehenen Auto mal 20 km entfernt Einkaufen fahren.
Gegen 15:00 Uhr rufe ich die Versicherung an. Ich solle mich gedulden bis morgen selbe Zeit. Alles braucht seine Zeit. Die Versicherung hat gleichzeitig 30 Schadensfälle auf dem Tisch…
Ich trinke Beruhigungs- und Schlafengehtee. Und lese Stefan Heym: „Immer sind die Männer schuld“. Halb jiddisch geschrieben. Eigenartige Sprache, gewöhnungsbedürftig. Habe zuvor niemals Stefan Heym gelesen… vielleicht ein Fehler, weiß nicht. Na trotzdem, ich lese fast alle Geschichten hintereinander. Vieles ist kritisch und mit Doppelsinn. Passt auf das heutige Deutschland, dieser, inzwischen nicht meiner, bunten Republik.! Obwohl, Stefan Heym starb im Jahre 2001, also zwanzig Jahre zurück.
Tag 40, 29. Juni 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 4
Heute geht es mir besser, fühle ich. Draußen scheint die Sonne, der Regen ist weggezogen. Schlechtes Wetter macht schlechte Stimmung, Sonne bringt Licht in das Dunkel! Jetzt ist Licht.
Ich lese als erstes eine E-Mail von meiner Versicherung, mein Fall ist in Bearbeitung. Ich sehe es positiv. Der Norwegische SAR Redningsselskapet sendet mir meine Mitgliedsnummer und die Bitte um Überweisung des Mitgliedsbeitrages. Das bezieht sich auch auf meinen Fall vom 25. Juni! na wir werden sehen.
Ich frühstücke mit besserem Appetit als gestern. Ich mache ein bisschen Ordnung auf dem Schiff. Dann sage ich erst mal in der Werkstatt Hallo und guten Morgen. Ich informiere den Boss der Werkstatt, mein Fall wird bei der Versicherung bearbeitet.
Dann schlage ich das Focksegel ab und lege es zusammen. Habe Handschuhe an, wegen der Wunden an den Händen.
Mittag esse ich den Rest vom gestrigen Essen. Es schmeckt diesmal. Nicht wie gestern, wo ich fast nichts runter gekriegt habe.
Dann nach dem Mittag gegen 14:00 Uhr kommt wieder die Unruhe. Ich soll die Versicherung gegen 15:00 Uhr anrufen, wegen deren Entscheidung und der weiteren Verfahrensweise. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.
Und 15:00 Uhr bestätigt mir die Versicherung die Übernahme der Kosten für einen neuen Saildrive. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich informiere die Werkstatt und die löst die Purchaseorder aus. In einer Woche soll der neue Saidrive hier sein.
Die Tschechischen Angler hier geben mir ein super Polak Filet. Reicht für drei Tage. Heute Abend werde ich das erste Stück zubereiten. Mit Weißwein und so…
Die Werkstatt leiht mir einen Off Roader und ich fahre nach Aure, 20 km entfernt und mache erstmal Einkäufe, was zu essen. Auf dem Weg mit dem Auto sehe ich die Küste aus einer anderen Perspektive bei 28°C und bestem Sonnenschein nach 18:00 Uhr. Hier geht die Sonne nicht richtig unter…
Den ganzen Rückweg halte ich immer wieder an und fotografiere. Einfach eine wunderschöne Landschaft geformt durch Gletscher, die weggeschmolzen sind lange, lange bevor die pubertierende Jugend angefangen hat von der Erderwärmung zu reden.
Weiter sehe ich auf dem Rückweg, etwa 5 km vor Erreichen meiner Werkstatt ein Hinweisschild: Kystfort. Ein Relikt des 2. Weltkrieges. Werde ich mir am kommenden Wochenende anschauen. Habe ja nichts zu tun und das ist dann eine Radtour wert.
Zurück auf dem Schiff bereite ich mir ein köstliches Polak Filet mit Gemüse und Kartoffel und Salat. und Weißwein und heute geht es mir wieder gut.
Und am Abend freue ich mich über die vielen Telefongespräche mit Freunden, alle machen mir Mut. Ich rauche eine Zigarre und trinke Rum und wir quatschen.
Tag 41, 30. Juni 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 5
Ich bin wieder zeitig wach, immer wie ein Getriebener. Dabei habe ich außer Warten nichts zu tun.
Ohne Wirkungsgrad drehe ich mich im Kreise. Ich suche das Gespräch mit dem Werkstattpersonal, obwohl, auf Dauer kann ich die nicht von der Arbeit abhalte.
Der Junge Pole kommt und will die beiden Bowdenzüge für Gas und Gangschaltung ausbauen. Ich helfe ihm dabei, die Dinger sind 6 Meter lang und schwer zu bergen. Wir machen das gemeinsam. Eine Stunde dauert das. Eine Stunde vom Tag totgeschlagen.
Ich lese noch den Rest von Stefan Heym „Immer sind die Männer schuld“. Köstlich!
Am beginnenden Nachmittag schlage ich das Focksegel ab, lege es zusammen und der Erste Schritt für das Abriggen ist getan.
Ich habe nichts mehr zu tun, also mache ich mir Fisch, wieder in Folie mit Kartoffeln. Lecker, dazu reiche ich mir Sauvignion Blanc.
Zum Abend hin sitze ich in der Sonne und rauche endlich mal wieder eine Zigarre, dazu ein bisschen Whisky, muss auch mal sein.
Tag 42, 1. Juli 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 6
Ich wache auf und die Sonne lacht. Nach dem Frühstück mache ich mich gleich ans Werk. Heute wird das Großsegel abgeschlagen. Doch zuvor mache ich erst mal eine Reihe Anrufe über WhatsApp. Gott sei Dank, dass das geht. So habe ich immer ein bisschen Unterhaltung mit jemanden auf Deutsch. Ok, mit den Tschechen und Polen hier unterhalte ich mich auf Englisch und Russisch, mit den Werkstatteignern, den Norwegern, auf Englisch. Aber ein Gespräch in der Muttersprache ist immer besser.
Das Segel ist schnell abgeschlagen. Ein polnischer Mitarbeiter, „Silvester“ nennt er sich mit Spitznamen zieht mit mir den Lazyjack. Dann baue ich den Baum, den Rodkicker und den Spibaum ab. 12:00 Uhr ist die All Right 2 „nackt“ und der Mast bereit zum Abnehmen. Die Werkstatt stellt mir einen sauberen Platz für Segel, Kuchenbude, Matratzen der Achterkabine, 3 Ikea Kisten aus der Backskiste und Monis Fahrrad zu Verfügung und ich lagere alles ein. 13:00 Uhr bin ich fertig.
Das Wetter ist wunderschön und der Tag ist noch lang. Ich mache den Ausflug zur Deutschen Küstenbatterie, 8 km von hier, heute. Wer weiß wie das Wetter morgen ist. Zuvor nehme ich noch ein Bad in der Norwegischen See. Hier in der Bucht ist die Wassertemperatur mit 16°C erträglich und erfrischend.
14:00 Uhr starte ich zum Melland Kystfort. 8,5 km immer hoch und runter geht die Fahrt bei ballernder Sonne. Es geht durch Lesund auf dem Lesundvegen und dem Finsetvegen. Die Landschaft ist wunderschön, der Weg führt vorbei an einem Süßwassersee mit einer Badestelle. Aber ich war ja schon Schwimmen. 15:00 Uhr bin ich am Kystfort und schaue mir die West- und die Ostbatterie an. Sehr interessant, werde eine Geschichte darüberschreiben. Moni sagte mir kürzlich, ich habe zu wenige Geschichten geschrieben.
Ich stehe an der Ostbatterie und kann fast bis hinschauen wo mir das Desaster mit dem Segel vor einer Woche wiederfahren ist.
16:30 Uhr mache ich mich auf den Rückweg zu meinem Schiff und der geliebten Werkstatt. Auf dem Rückweg halte ich noch an einem Haus und lasse mir von der Norwegerin meine Trinkflasche wieder auffüllen.
17:30 Uhr bin ich zurück, unterhalte mich mit den Tschechen und bereite mir wieder ein Fischgericht, diesmal gebraten.
Tag 43, 2. Juli 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 7
In der Nacht kam gegen 4:00 Uhr richtig Wind auf. Ich hatte die Fallen am Mast nicht abgespannt, weil gestern kein Wind war. Mein Fehler, jetzt schlagen die gegen den Baum. Ich wache auf und im Schlafanzug spanne ich draußen ab. Es ist taghell und ich sehe den Sonnenaufgang. Lege mich aber gleich wieder hin und schlafe bis 9:00 Uhr, seit langem das erste Mal wieder.
Nach dem Aufstehen mache ich meine „Werkstattrunde“. Ich habe mich inzwischen an mein Schicksal gewöhnt. Wechsle ein paar Worte mit dem Chef der Werkstatt und seinem Vater, dem Besitzer. Die arbeiten auch am Sonnabend, aber nur bis 12:00 Uhr.
Ich sehe, dass die Stützen zum Aufpallen der All Right 2 angeliefert wurden. Dem Kranen steht also nichts im Wege. Montag soll der Mast gekrant werden, Dienstag das Schiff. Hoffentlich kommt der Saildrive bald.
Ich gehe rüber zu den Tschechischen Anglern. Die packen, denn morgen in aller Frühe geht ihre Reise zurück nach Tschechien. Sie haben ihr Baglimit, 18kg/Person, in Form von eingefrorenen Filets verpackt in Styroporkisten.
Ich frühstücke erst 10:30 Uhr. Was soll‘s, ich habe alle Zeit der Welt und muss den Tag rumbringen. Gestern war ein richtiger Sommertag. Der für gestern angekündigte Regen kommt heute Morgen während meines Frühstücks. Es war richtig, dass ich meinen Ausflug zum Kystfort gestern gemacht habe. Für die nächsten Tage ist weiter Regen vorhergesagt.
Nach dem Frühstück mache ich ein bisschen Ordnung im Schiff. Männer sind Schweine, die pinkeln im Stehen und das auch bei Seegang und Lage. Meine Toilette, Bad an Bord haben es nötig.
Bis Mittag habe ich dann die Mastelektrik abgeklemmt. Habe alles fotografiert, sodass das Wiederanklemmen schnell und fehlerlos gehen wird.
Und ich bekomme den Schlüssel für den Waschsalon der angeschlossenen Pension. 2 Waschmaschinen, zwei Trockner. Da nutze ich das Schmuttelwetter und die Zeit des Wartens. Ich stopfe die Waschmaschinen voll, 4 Trommeln.
Während ich warte wie die Waschmaschinen arbeiten, verbringe ich den Tag mit Lesen und Schreiben. Die Zeit muss totgeschlagen werden. Es regnet unaufhörlich bis 18:00 Uhr. .
Es klart auf, die Sonne scheint und es wird gleich warm. Die Wäsche ist erledigt. Ich mache mir ein Wurstbrot, auf Fisch habe ich nicht schon wieder Appetit.
Nach meinem Kleinen Abendbrot geselle ich mich zu meinen Tschechischen Freunden: Radim, Ludek und Peter. Radim ist 45, die anderen beiden sind Ü 60. Ich bin zu Zigarre und Rotwein eingeladen. Wir unterhalten uns angeregt über deren Heimat, das Riesengebirge, über das Wandern in Tschechien und der Slovakei und auch über Politik und die Wirtschaftliche Lage in Tschechien und Deutschland. Wir haben ziemlich übereinstimmende Meinungen. Als Absacker trinken wir dann den Rest von meiner letzten Flasche „Linie“Aquavit. Wir verabschieden uns, tauschen noch die Kontaktdaten aus. Morgen fahren die Freunde in aller Frühe Richtung Treleborg, 1200km, dann mit der Fähre nach Rostock und dann 600 km in das Riesengebirge… Was man alles für’s Angeln tut!
Tag 44, 3. Juli 2022
Grisvågøya (N), ich liege in der Werft Tag 8
Heute ist Sonntag, das Wetter ist nun wider die Vorhersage doch schön. Die Sonne scheint. Die Tschechen sind abgereist, ich muss mir jetzt neue Freunde suchen.
Nach dem Frühstück und dem obligatorischen Morgenschwatz mit Moni ziehe ich die Kabel zum Mast aus den Durchführungen an Deck. Ich verlebe die Löcher mit Tape und mache meine Vorkabine damit Regenfest. Als nächstes entferne ich die Sicherungssplinte an der Verschraubung zwischen Wanten und den Püttings. Ich vermesse noch die Abstände in den Spannern, damit der Wiederaufbau schnell von statten gehen kann. Mehr kann ich erst mal nicht tun. Der Mast ist bereit zum Kranen. Morgen muss ich mich im Bootsmannsstuhl hinauf winschen lassen und den Mast am Kranhaken anschlagen.
Ach so, ich kennzeichne noch genau die Lage vom Kiel und wo wir mit dem vorhandenen Gerät das Schiff anschlagen werden.
Am Nachmittag mache ich noch eine Ausfahrt mit meinem Fahrrad.
Die erste Woche des Wartens habe ich totgeschlagen. Es kotzt mich an, aber ich muss positiv bleiben!